Louisa: Warum ist es wichtig, dass Kinder über Politik Bescheid wissen?
Bei Politik geht es um das Zusammenleben von Menschen. Wie kann es so gestaltet werden, dass die Leute sich vertragen und frei sind in ihren Entscheidungen? Dazu braucht es Regeln. Darum kümmert sich die Politik. Es ist gut, sich schon früh damit zu beschäftigen. Zum Beispiel, wenn man als Klassensprecher mit Lehrern verhandeln oder in der Klasse Konflikte lösen muss. Das alles ist schon Politik.
Dana: Wie stellen Sie sich unser Leben vor, wenn wir so alt sind wie Sie?
Das weiß ich nicht. Ich bin 76 Jahre alt. Wenn ich mich an früher erinnere, war das Leben völlig anders, viel bescheidener. Ich kann euch nur sagen, was ich mir für euch wünsche: Dass ihr in Frieden leben könnt, Freiheit herrscht und ihr immer sagen könnt, was ihr wollt. Auch ein gutes Maß an Gerechtigkeit ist wichtig.
Dana: Und was wird besser sein oder schlechter?
Man wird viele Krankheiten heilen oder besser behandeln können als heute. Anderes hingegen wird schwieriger. Wenn wir den Klimawandel nicht gebremst bekommen, werdet ihr größere Probleme bekommen mit extremem Wetter. Wir haben beispielsweise auch hier schon Dürre oder riesige Überschwemmungen mit großen Zerstörungen. Ich hoffe aber, dass wir das weltweit noch hinbekommen.
Louisa: Wie können Kinder und Jugendliche bei Entscheidungen in der Politik mitreden?
Indem ihr zum Beispiel bei der Kinderzeitung mitmacht. Das ist eine gute Möglichkeit, um mitzureden und Antworten auf Fragen zu bekommen, die euch wichtig erscheinen. Oder in der Schule oder in Vereinen über entsprechende Ämter mitbestimmen. Wichtig ist, dass man miteinander redet, damit man weiß, was andere denken.
Louisa: Was tun Sie, damit Baden-Württemberg ein gutes Land für Kinder ist?
Wir machen jetzt ein großes Schulprogramm. Man hat festgestellt, dass viele Kinder nach der Grundschule nicht gut lesen und schreiben können und auch in Mathe nicht so gut sind. Wir fördern nun mit viel Geld den Sprachunterricht, und zwar schon im Jahr vor der Schule. Wenn man nicht richtig Deutsch spricht, kommt man in der Schule nicht mit und kann auch keine Matheaufgaben lösen, obwohl man rechnen kann. Diese Sprachförderung dauert ein Jahr. Wenn das vor der ersten Klasse noch nicht reicht, kommen die Kinder in besondere Klassen, sogenannte Juniorklassen. Da lernen sie nochmal besser Deutsch und erst dann kommen sie in eine erste Klasse. Dafür braucht man viele Lehrkräfte.
Dana: Wurde schon über den Klimawandel gesprochen, als Sie ein Kind waren?
Nein. Der Klimawandel war damals noch nicht bemerkbar. Man hat zwar früher schon bemerkt, dass sich die Durchschnittstemperatur ändert. Man hat gesehen, dass der Ausstoß klimaschädlicher Gase, vor allem Kohlendioxid, zunimmt. Schon vor 100 Jahren entdeckte der Chemiker Svante Arrhenius erstmals, dass der Mensch den CO2-Gehalt auf der Erde erhöht. Aber es war zu lange kein Thema. Richtig ins Bewusstsein gekommen ist es vor 30 Jahren mit der ersten Weltklimakonferenz. Seitdem wird viel darüber gesprochen, aber es wurde leider nicht genug dagegen getan.
Paul: Was tun Sie persönlich gegen den Klimawandel?
Ich habe keine Gasheizung mehr, ich heize mit Holzpellets. Ich fahre E-Autos, dienstlich und privat – obwohl ich auch noch einen alten Diesel habe. Seit vielen Jahren habe ich eine große Fotovoltaikanlage auf meinem Hausdach, ich produziere also meinen Strom selbst. Mein privater ökologischer Fußabdruck hat sich damit erheblich verbessert. Aber ich lebe nicht klimaneutral.
Lennart: Was würden Sie gerne gegen den Klimawandel tun, schaffen es aber nicht?
Ich kann nicht ganz auf das Autofahren verzichten. Das wird besser, wenn ich weniger arbeite. Ich fliege privat zwar wenig, aber schon ab und zu. Einmal im Jahr beispielsweise fliege ich nach Schottland. Dort lebt mein schottischer Schwiegersohn mit meiner Tochter. Diese Flüge kompensiere ich. Ich spende also Geld an Organisationen, die sich beispielsweise um den Schutz der Wälder kümmern und Bäume pflanzen.
Dana: Finden Sie es wichtig, dass es das Schulfach Digitalisierung gibt?
Ja. Sehr wichtig. Wir leben in einer digitalen Welt. Die Digitalisierung verändert die Welt und damit müsst ihr umgehen können.
Lennart: Wenn es ein neues Fach Digitalisierung gibt, muss doch etwas anderes gestrichen werden. Was könnte das sein?
Wir kehren im Gymnasium von G8 zu G9 zurück. Wir haben also ein Jahr länger Zeit auf dem Weg zum Abitur. Es gibt schon länger das Fach Informatik. Das neue Fach wird Informatik und Medienbildung heißen. Dabei wird es auch darum gehen, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden, etwa bei gefälschten Fotos oder Nachrichten, und wo man sich richtig informieren kann. Dazu braucht es Lehrer, die das den Schülern richtig vermitteln können.
Dana: Unsere Lehrer benutzen oft Tablets. Haben wir vielleicht in der Zukunft alle Tablets?
Es wird zu Recht viel über Tablets diskutiert. Aber eigentlich geht es ja darum, mit welcher Methode man am besten lernt. Wenn auf dem Tablet ein gutes Lernprogramm ist, kann das zum Beispiel hilfreich sein. Aber auch hier muss man sich fragen: Wo sind Tablets gut einsetzbar, wo geht es gar nicht? Das muss in den Schulen untersucht werden. Es gibt auch Experten, die sagen, in der Grundschule soll man überhaupt keine Tablets benutzen. Andere finden es gut. Es geht nun darum, das zu erforschen. Und wenn man ehrlich ist, sind Tablets auch sehr teuer. Es ist noch nicht geklärt, wer das bezahlt. Auch ein Land muss überlegen, wie es sein Geld ausgibt. Bekommen alle Schüler Tablets, kann man das Geld für etwas anderes nicht ausgeben. Zum Beispiel mehr Lehrer oder mehr Fortbildungen für Lehrer.
Lennart: Würden Sie heute noch unterrichten wollen?
Klar. Aber ob ich das könnte, ist eine ganz andere Frage (lacht). Ich müsste erstmal meine Fächer neu lernen. Denn vor allem in Biologie und Chemie hat sich einiges getan. Der Wissensfortschritt ist enorm. Schlaue Leute sagen, dass sich das Wissen der Menschheit alle drei Jahre verdoppelt. Von diesem Wissen muss der normale Mensch natürlich nicht alles wissen. Aber ich könnte nicht einfach in die Schule gehen und unterrichten, vor allem nicht in den höheren Klassen. Ich habe es auch nicht vor! Wenn ich pensioniert bin, hätte ich schon Lust in Schulen zu gehen, aber um über Demokratie zu diskutieren.
Paul: Kaufen Sie den Weihnachtsbaum selbst? Und wer schmückt ihn?
Ich kaufe den Baum selbst. Bei uns in der Familie ist es Tradition, dass der Vater den Baum schmückt. Also ich. Da brauche ich ungefähr vier Stunden, das nehme ich sehr ernst. Ich schmücke ihn jedes Jahr ein bisschen anders. Ich habe viele Kugeln und anderen Christbaumschmuck in vielen Formen und Farben. Der Baum muss stimmig sein, alles muss zueinanderpassen.
Louisa: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?
Jedes Jahr das gleiche: Ruhe. Ich habe ein sehr aufgeregtes Leben und bin sehr froh, wenn es an Weihnachten ruhig ist und nichts passiert. Und dass alles friedlich bleibt. Wenn es irgendwie geht, arbeite ich an Weihnachten nicht.
Winfried Kretschmann ist seit 2011 der Regierungschef von Baden-Württemberg. Er war der erste Landeschef aus der Partei Die Grünen. Als Ministerpräsident lenkt er die Politik des Landes. Dabei arbeitet er unter anderem mit elf Ministerinnen und Ministern zusammen, die unterschiedliche Spezialgebiete haben, zum Beispiel Bildung, Verkehr und Umwelt. Winfried Kretschmann war Lehrer für Chemie, Biologie und Ethik, bevor er Berufspolitiker wurde. Als Student hat er sich politisch engagiert und 1979 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Partei Die Grünen in Baden-Württemberg. Mit seiner Frau Gerlinde hat er drei erwachsene Kinder und zwei Enkel, mit denen er gerne spielt.