Julian Nagelsmann "Mit Messi wären wir Tabellenführer"

Maresa Stölting

Der jüngste Trainer der Bundesliga-­Geschichte kommt gerade vom Trainingsplatz der TSG Hoffenheim. Im Interview verrät Julian Nagelsmann, wie er sein Team auf die nächsten Spiele vorbereitet.
 

Paula: Sie sind der jüngste Bundesliga-Trainer, den es je gab. Was bedeutet das für Sie?
Julian Nagelsmann:
Ich lege keinen großen Wert auf das Alter. Aber es ist schön, dass man so jung so einen gewichtigen Job machen darf. Denn es träumen ja viele davon, Profifußballer oder Trainer zu werden.

Philipp: Wann wussten Sie, dass Sie Fußballtrainer werden wollen?
Julian Nagelsmann:
Das wusste ich erst recht spät. 2006 musste ich wegen einer Knieverletzung mit dem Spielen aufhören. Da wollte ich mit Fußball erst mal nichts mehr zu tun haben. Mein damaliger Trainer wechselte dann nach Augsburg und hat mich gefragt, ob ich nicht Co-Trainer werden will. Zuerst dachte ich, das wird eine Freizeitbeschäftigung. Aber dann hat es mir so gut gefallen, dass ich mein Studium gewechselt und mich entschieden habe, Trainer zu werden.

Leonie: Wie sieht der typische Arbeitstag eines Trainers aus?
Julian Nagelsmann:
Ich komme relativ früh hierher. Am Anfang der Woche mache ich immer die Trainingsplanung. Dann stellen meine Trainerkollegen den aktuellen Tag vor: Welche Übungen machen wir, was wollen wir damit trainieren, wie lange dauert die Übung, und wer übernimmt welchen Teil? Das Training wird auf Video aufgenommen. Danach schauen wir es an und machen Einzelsitzungen mit Spielern. Da besprechen wir, was uns im Training aufgefallen ist. Und dann geht’s an die Gegnervorbereitung: Was erwartet uns am Wochenende, wie spielt der nächste Gegner? Da schauen wir uns ganze Spiele oder Teile davon an und entwickeln einen Plan, wie wir die nächsten drei Punkte holen können, wenn es gut läuft. Zwischendurch gibt’s etwas zu essen, und abends mache ich noch ein bisschen Sport, damit ich auch fit bleibe. Dann gehe ich nach Hause.

Philipp: Zum Beispiel bei einem Spiel gegen Schalke: Was wäre da Ihre Taktik?
Julian Nagelsmann:
Die darf ich natürlich nicht verraten – sonst liest Schalke das noch. Allgemein ist es so, dass wir immer beobachten: Wie eröffnet der Gegner das Spiel? Was hat er für Muster? Wohin spielt er immer? Welche Räume hat er, wenn er mal den Ball verliert? Wie attackiert er uns? Wo will er den Ball gewinnen? Wo hat er Schwächen im Anlaufen? Wer ist ein langsamer Spieler, wer ist ein schneller? Wer ist Rechtsfuß, wer ist Linksfuß? Also ganz viele Dinge. Und so versuchen wir, unsere Grundordnung anzupassen, je nachdem wie der Gegner spielt.

Paula: Wer ist Ihr Trainervorbild und warum?
Julian Nagelsmann:
Ein klassisches Vorbild habe ich nicht. Pep Guardiola macht seinen Job inhaltlich sehr gut, finde ich. Er hat bisher mit allen Teams guten Fußball gespielt. Und er entwickelt seine Mannschaften super. Jetzt bei Manchester United sieht man aber zum Beispiel, dass es Zeit braucht, das mit dem Team umzusetzen. In den nächsten zwei Jahren wird Manchester in der Champions League sicher gefährlich für die deutschen Teams. Was die Teamführung angeht, ist Ottmar Hitzfeld ein sehr großes Vorbild. Der konnte mit vielen Stars super umgehen, und jeder, der über ihn spricht, hat eine sehr hohe Meinung von ihm.

Leonie: Wenn Sie sich einen aktuellen Spieler für Ihre Mannschaft aussuchen dürften, welcher wäre das und warum?
Julian Nagelsmann:
Lionel Messi, weil er jedes Jahr 35 Tore schießt. Das wäre nicht schlecht. Das wären ungefähr 21 Punkte mehr. Dann wären wir Tabellenführer.

Paula: In der Champions League tragen die Trainer oft Anzug und Krawatte. Wenn Hoffenheim in die Champions League kommt: Wie lange müsste man Sie überreden, im Anzug zu kommen?
Julian Nagelsmann:
Gar nicht – das würde ich sofort freiwillig machen. Ich trage gerne Anzug.

Leonie: Welchen Tipp haben Sie für Kinder, die davon träumen, Profifußballer zu werden?
Julian Nagelsmann:
Immer viel bewegen! Wenig Zeit am Smartphone, vor dem Computer oder Fernseher verbringen, sondern an die frische Luft gehen. Auch wenn es mal regnet oder schneit. Man sollte viele Sportarten ausprobieren: Basketball, Hockey, Reiten. Das schult Bewegungsabläufe und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man später in der Sportart besser ist, für die man sich entscheidet. Außerdem immer gut und einigermaßen gesund ernähren. Aber trotzdem auch mal zu McDonald’s gehen oder Schokolade essen. Denn Zufriedenheit bringt dir auch einen gesunden Körper. Außerdem kann man mit Fleiß viel erreichen. Es gibt einige Profisportler, die nicht das größte Talent haben, aber sehr fleißig sind. Und man muss auch die Schule fertig machen. Also immer konzentrieren, dass die Noten stimmen. Dann hat man auch den Kopf frei, um für den Sport alles zu geben.

Philipp: Wo schätzen Sie, steht Hoffenheim am Ende der Saison?
Julian Nagelsmann:
Du stellst ganz schön gefährliche Fragen! Wir hoffen, dass wir in der oberen Tabellenhälfte stehen. (lacht)


Steckbrief:

Julian Nagelsmann: wurde 1987 in Landsberg am Lech (Bayern) geboren. Er ist 30 Jahre alt.

Spielerkarriere: Nagelsmann spielte in den zweiten Mannschaften von 1860 München und dem FC Augsburg. Doch wegen Verletzungen musste er vor dem ersten Profi-Pflichtspieleinsatz mit dem Spielen aufhören.

TSG Hoffenheim: Seit 2016 trainiert er die Mannschaft. In der vergangenen Saison rettete er den Verein noch vor dem Abstieg, aktuell steht die Mannschaft auf Platz vier in der Tabelle. Wegen seines Erfolgs wird er als zukünftiger Trainer des FC Bayern München gehandelt. „Ich kann mir vorstellen, irgendwann die Bayern zu trainieren. Ich komme ja aus München, und das ist ein gut geführter Verein“, sagt er.

Hobbys: Zeit mit seinem zweijährigen Sohn verbringen, Motorrad und Mountainbikefahren, Beachvolleyball, in den Bergen unterwegs sein.