Clara: Wie war Ihr erster Tag im Bundestag?
Heike Heubach: Das war am 21. März 2024. Es war Plenum im Bundestag. Die Bundestagspräsidentin begrüßte mich und sagte, dass sie sich freut, weil ich die erste taube Abgeordnete bin. Die Mitglieder meiner Fraktion, der SPD, haben für mich in Gebärdensprache applaudiert. Das hat mich sehr berührt. Ich hatte eine Gänsehaut und wusste: Jetzt bin ich wirklich in Berlin angekommen.
Clara: Welche Aufgaben haben Sie als Bundestagsabgeordnete?
Heike Heubach: Das Wort Abgeordnete bedeutet Volksvertreter. Das heißt, dass ich herausfinden muss, welche Wünsche, Fragen, Sorgen und Herausforderungen das Volk hat – also die Bürgerinnen und Bürger. Dazu treffe ich mich mit vielen Leuten. In Berlin berate ich dann mit anderen Abgeordneten, wie wir die Wünsche umsetzen können. Außerdem bin ich Mitglied im Ausschuss für Bauen und Wohnen. Da beraten wir, ob neue Gesetze gemacht werden müssen, um das Wohnen in Deutschland zu verbessern.
Nicolai: Hatten Sie sich die Arbeit so vorgestellt?
Heike Heubach: Ehrlich gesagt nicht. Natürlich war mir klar, dass die Abgeordneten unterschiedliche Meinungen haben und viel diskutiert wird. Das muss auch so sein, weil Demokratie so funktioniert. Ich hatte aber nicht erwartet, dass es so lange dauert, ein Gesetz zu machen und Entscheidungen zu fällen.
Clara: Was müssen Abgeordnete können?
Heike Heubach: Jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist, kann sich zur Wahl stellen. Sonst gibt es keine Voraussetzungen. Es ist egal, ob jemand studiert hat oder eine Ausbildung gemacht hat. Aber man sollte Interesse an Politik und Menschen haben und den Mut, seine Meinung zu sagen.
Nicolai: Werden Sie den ganzen Tag von Dolmetschern begleitet?
Heike Heubach: In Berlin sind immer Dolmetschende bei mir, weil ich mich mit vielen Leuten verständigen muss, die keine Deutsche Gebärdensprache können.
Nicolai: Im Parlament rufen Politiker manchmal dazwischen, wenn jemand redet. Haben Sie das auch schon gemacht?
Heike Heubach: Bisher noch nicht . Manchmal ärgere ich mich darüber, was andere sagen. Bis jetzt wollte ich deswegen noch nicht dazwischen rufen. Wenn ich es tun möchte, werde ich mich auf jeden Fall melden, um auf mich aufmerksam zu machen.
Clara: Ist es für die Dolmetscher schwer zu übersetzen, wenn viele Leute gleichzeitig reden?
Heike Heubach: Auf jeden Fall. Wenn alle durcheinander reden, ist das auch für Hörende unverständlich. In so einer Situation bitte ich die Leute, nacheinander zu sprechen. Davon haben alle etwas.
Clara: Wenn Sie am Bundestag etwas verändern dürften: Was wäre das?
Heike Heubach: Das Reichstagsgebäude sollte überall barrierefrei sein. Vor kurzem wollte eine Abgeordnete, die einen Rollstuhl nutzt, jemanden in dessen Büro treffen. Das ging aber nicht, weil es in diesem Teil des Gebäudes keinen Aufzug gibt. Also musste sie unten auf ihn warten. So etwas will ich ändern. Außerdem sollten Abgeordnete bei den Debatten anders miteinander sprechen. Ich möchte, dass die Sprache für alle Leute gut verständlich ist und man konstruktiv bleibt – also, dass es um die Sache geht. Denn Abgeordnete sollten Vorbilder sein.
Nicolai: Was machen Sie, wenn Sie in Bayern in ihrem Wahlkreis sind?
Heike Heubach: Im Moment ist Wahlkampf. Da gehe ich wirklich von Haustür zu Haustür, klingle und unterhalte mich mit den Leuten. Oder ich spreche mit ihnen an Infoständen und bei Veranstaltungen. Ich möchte wissen, welche Probleme die Bürgerinnen und Bürger haben. Sie sollen mich kennenlernen, damit sie wissen, wen sie bei der Bundestagswahl wählen.
Heike Heubach
Geboren: am 14. Dezember 1979 in Rottweil
Wohnort: Stadtbergen (Landkreis Augsburg)
Partei: SPD, Mitglied seit 2019
Wahlkreis: Augsburg Land und Aichach-Friedberg
Familie: zwei erwachsene Töchter
Hobbies: Fahrradfahren, Schwimmen, Skifahren und Lesen
Seit wann Heike Heubach gehörlos ist, weiß sie selbst nicht so genau. „Vielleicht war ich es schon seit meiner Geburt. Vielleicht hat aber auch eine Mittelohrentzündung zur Taubheit geführt, als ich noch ganz klein war.“ Als Kind lebte sie mit ihren Eltern in Oberndorf am Neckar. Dort ist bald wieder Fasnetszeit. Heike Heubach sprang früher auch im Hansel beim traditionellen Narrensprung mit. Später zog Heike Heubach nach Bayern und machte eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Vor sechs Jahren trat sie in die SPD ein und kandidierte bei der Bundestagswahl. Als der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch den Bundestag verließ, um wieder bei der Polizei zu arbeiten, nahm Heike Heubach seinen Platz ein. Diesen Platz möchte sie auch nach der Wahl am 23. Februar behalten und die Menschen aus ihrem Wahlkreis vertreten.