Alexander Gerst „Man sieht, wie es außen brennt“

Susanne Suchy

Bald kehrt Astronaut Matthias Maurer von der Internationalen Raumstation (ISS) zurück. Einfach nach Hause gehen kann er aber nicht. Alexander Gerst kam schon zweimal aus dem All zurück. Er hat den Kinderreportern Leonhard (12) und Jakob (9) verraten, was nach der Landung passiert.

Leonhard: Herr Gerst, wer hat Ihnen eigentlich den Spitznamen Astro-Alex gegeben?

Alexander Gerst: Das ist zufällig passiert. Ich brauchte einen Namen für meinen Twitter-Account. Ein paar meiner Astronauten-Freunde waren schon dort angemeldet und hatten alle Namen, die mit Astro_ anfingen und dann kam der Vorname. Also habe ich das auch so gemacht, ohne lange darüber nachzudenken. Astro_Alex war für mich ein Anmeldename ohne große Bedeutung. Irgendwann haben die Leute angefangen, mich so zu nennen. Das war erst ein bisschen komisch, aber auch lustig.

Leonhard: Matthias Maurer soll bald von der ISS zur Erde zurückfliegen. Was ist beim Rückflug anders als beim Hinflug?

Alexander Gerst: Beim Hinflug ist alles neu, aufregend, man taucht in eine neue Welt ein und ist plötzlich schwerelos. Beim Rückflug ist es genau umgekehrt. Man war ein halbes Jahr lang auf der Raumstation und hat ein fantastisches Abenteuer erlebt. Trotzdem freut man sich auf sein Zuhause. Nach der Landung schwebst du nicht mehr, sondern klemmst in deinem Sitz fest und hast das Gefühl, dich nicht bewegen zu können. Dann fällt dir ein, dass das an der Erdanziehungskraft liegt. Daran muss sich der Körper erst wieder gewöhnen. Am Anfang ist es total anstrengend, die Muskeln zu bewegen. Zum Beispiel, um aus der Kapsel zu klettern.

Leonhard: Wie fühlt sich der Flug an?

Alexander Gerst: Wie eine extra lange Achterbahnfahrt. Da habe mich immer drauf gefreut. Zuerst kreisen wir in der Kapsel mit einer Geschwindigkeit von 28 000 Kilometern pro Stunde um die Erde. Dann zünden wir die Raketentriebwerke. Die Flugbahn verändert sich, und wir treten leicht schräg in die Erdatmosphäre ein. Dabei bremst die Luft unsere Kapsel ab. Ungefähr so, wie euch das Wasser bremst, wenn ihr vom Dreimeterbrett springt. Noch dazu ist die Kapsel beim Eintritt in die Erdatmosphäre so schnell, dass sie durch die Luftreibung mehrere 1000 Grad Celsius heiß wird. Aus dem Fenster sieht man, dass sie außen brennt. Aber wir machen uns keine Sorgen, weil die Kapsel ein Hitzeschild hat. Das schützt uns.

Leonhard: Was passiert dann?

Alexander Gerst: Nachdem uns die Luft ein paar Minuten lang gebremst hat, fliegen wir viel langsamer. Etwa so schnell wie ein großes Verkehrsflugzeug. In einer Höhe von zehn Kilometern über dem Erdboden öffnet sich der Fallschirm. Das bremst noch mal. Wenn die Kapsel auf dem Boden aufschlägt, fühlt es sich trotzdem wie ein kleiner Autounfall an.

Leonhard: Und dann können Sie aussteigen?

Alexander Gerst: Nach der Landung räumen wir die Kapsel auf, schalten Computersysteme aus, tragen die Landezeit im Logbuch ein und sprechen über Funk mit den Rettungsmannschaften. Wenn alles erledigt ist, öffnen sie die Luke und helfen uns beim Rausklettern. Sie setzen uns in Sessel und tragen uns in ein Zelt, wo wir die Raumanzüge ausziehen können. Am Anfang ist es schwierig zu stehen. Man taumelt ein bisschen. Zum Helikopter konnte ich aber schon selbst laufen. Meine Fliegerärztin war zur Sicherheit immer dabei. Sie hat mich bis nach Köln ins Deutsche Luftund Raumfahrtzentrum (DLR) begleitet. Bei Matthias wird das etwas anders ablaufen. Er landet auf dem Wasser. Die Kapsel wird dann aus dem Wasser auf eine Extraplattform gehoben. Dann werden die Astronauten aus der Kapsel geholt und mit einem Helikopter an Land gebracht.

Leonhard: Warum dürfen Astronauten nicht gleich nach Hause gehen?

Alexander Gerst: Die Mission ist nicht vorbei, wenn wir gelandet sind. Vor dem Flug trainieren wir und werden genau untersucht. An Bord der Raumstation machen wir damit weiter. Wir nehmen uns Blut ab, untersuchen unser Immunsystem und andere Körperfunktionen, über die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwas herausfinden möchten. Nach der Landung wollen sie ganz schnell wissen, wie sich unsere Körper in der Schwerelosigkeit verändert haben. Deswegen wird alles, was vor dem Flug untersucht wurde, auch danach angeschaut. Dafür wurde ich ins :envihab gebracht. Das ist ein tolles Forschungsgebäude des DLR. Es sieht aus wie aus einem Weltraumfilm. In der ersten Nacht habe ich dort geschlafen. Danach durfte ich nachts bei meiner Familie sein. Aber tagsüber war ich wochenlang im :envihab. So wird es auch bei Matthias sein.

Jakob: Warum sind die Untersuchungen wichtig?

Alexander Gerst: Die Ergebnisse helfen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Beispiel dabei, neue Medikamente zu entwickeln. Gegen Krebs, Schlaganfälle, Alzheimer und andere schlimme Krankheiten.

Jakob: Ist es manchmal nervig, wenn man so viel untersucht wird?

Alexander Gerst: Ja, schon (lacht). Natürlich würde ich nach der Mission am liebsten ganz viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen. Aber dann denke ich daran, dass ich etwas mache, was vielen Menschen helfen kann. Das ist wichtiger. Ich mache das sehr gerne.

Jakob: Möchten Sie noch mal ins All fliegen?

Alexander Gerst: Selbstverständlich!

Jakob: Und wohin?

Alexander Gerst: Da bin ich nicht wählerisch. Aber bald gibt es die Möglichkeit, zum Mond zu fliegen. Da hätte ich riesige Lust drauf.

Jakob: Woran arbeiten Sie im Moment?

Alexander Gerst: Die Raumfahrtagenturen planen eine Raumstation, die um den Mond kreisen soll. Sie heißt Gateway. Einer meiner Jobs ist es, meine Erfahrung von der Zeit auf der ISS dabei einzubringen. Und natürlich bin ich noch aktiver Astronaut. Da muss ich immer wieder trainieren, damit ich nichts verlerne.


Steckbrief
Name: Alexander Gerst
Geboren am: 3. Mai 1976 in Künzelsau
Ausbildung: Studium der Geophysik in Karlsruhe und Neuseeland
Beruf: Astronaut, Geophysiker, Vulkanforscher
Das wollte ich als Kind werden: Feuerwehrmann, Astronaut, Lokführer
ISS-Missionen: Blue Dot (28. Mai bis 10. November 2014) und Horizons (6. Juni bis 20. Dezember 2018, Kommandant ab 3. Oktober 2018)
Mein unglaublichster Moment im All: Als ich für ein paar Stunden aus der ISS ausgestiegen bin und etwas an der Raumstation repariert habe.
So setze ich mich für Kinder ein: Unicef-Botschafter, „Sendung mit der Maus“
Das habe ich als Nächstes vor: Ich würde gerne zum Mond fliegen.
Lebensmotto: Man ist es sich selbst schuldig, seinen Träumen eine Chance zu geben.